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Warum die Cloud Start-ups eine doppelte Chance bringt

Herbert Wanner, Beirat, Eurocloud Swiss (Source: zVg)

Herbert Wanner ist langjähriger Beirat von Eurocloud Swiss und hat sich eingehend mit der Entwicklung der Cloud, der Cloud-Service-Provider und mit der Nutzung von Cloud-Services befasst. Im Interview verrät er, warum Start-ups auf die Cloud setzen sollten.

Warum hat Eurocloud Swiss die Halbjahresevents im Herbst 2019 auf das Thema "Start-up – Cloud als Chance" ausgerichtet?

Herbert Wanner: Nachdem in der Anfangsphase der Cloud-­Entwicklung die Frage der Vertrauenswürdigkeit der Cloud im Vordergrund stand und die Frage, ob und wie Unternehmen mit eigener IT-Infrastruktur den Weg in die Cloud bewerkstelligen sollten, war die zweite Entwicklungsphase geprägt von der Frage des Nutzens der Cloud. Zum Beispiel erkannte man, dass die Cloud den Einstieg in das Internet der Dinge ermöglicht oder als Enabler für Big Data und Analytics sowie als Plattform für künstliche Intelligenz dient. Parallel dazu hat der Siegeszug der Cloud zu einer grossen Zahl von Cloud-Service-Providern geführt. All diesen Themen hat Eurocloud Swiss in den letzten Jahren Veranstaltungen gewidmet.

Und nun rücken Start-ups in den Fokus ?

Unser Anspruch ist es, mit der Aktualisierung unseres Event-Formats die neuen Trends zu erfassen und für unsere Mitglieder aktuell zu bleiben. Da das Thema Innovation und Start-up-Szene am Wirtschaftsstandort Schweiz in der öffentlichen Wahrnehmung in letzter Zeit an Bedeutung gewonnen hat, haben wir den Zusammenhang zwischen Start-ups und der Cloud zum Thema unserer neuen Event-Serie gemacht. Die erste Durchführung am 29. Oktober unterstrich mit einer grossen Teilnehmerzahl das Interesse am Thema.

Wo liegen für Start-ups die wichtigsten Chancen der Cloud?

Mit der Nutzung der Cloud hat ein Start-up die Möglichkeit, das Geschäftsmodell von Anfang an zu internationalisieren. Die Cloud ermöglicht es den Start-ups, rasch und mit wenig Kapitaleinsatz einen globalen Markt zu erreichen und hat damit beste Voraussetzungen, um das Geschäftsmodell zu skalieren und Wachstum zu generieren. Vor der Cloud-Ära war ein Start-up in der Anfangsphase in vielen Fällen an den lokalen Heimmarkt mit geringem Skaleneffekt gebunden. An eine Internationalisierungsstrategie, um einen grossen Skaleneffekt zu erzielen, war erst in einer späteren Phase zu denken.

Nach der ersten Durchführung eines Halbjahresevents von Eurocloud Swiss, können Sie schon ein Fazit ziehen?

Was bei den heutigen Start-ups anders gelagert ist als bei früheren Unternehmensgründungen – die quasi auf der grünen Wiese stattfanden – ist, dass sie Mitglied eines Start-ups-Netzwerks sind und vom Netzwerk wie auch vom Nebeneinander mit anderen Start-ups profitieren. Die vier teilnehmenden Start-ups, alle Mitglieder des Instituts für Jungunternehmer - einem gesamtschweizerisch bedeutenden Start-up-Netzwerk - haben allesamt ihr Geschäftsmodell in der Cloud lanciert. Ein Start-up ohne Cloud haben wir auch bei der Evaluation der Start-ups nicht angetroffen.

Wie unterstützen AWS, Alibaba, Microsoft und Google Start-ups bei der Internationalisierung ihres Geschäfts?

Alle globalen Public-Cloud-Provider unterhalten heute ein umfangreiches Förderprogramm für Start-ups. Neben diversen Hilfestellungen in der Anfangsphase wie Finanzierungshilfen, Cloud-Architektur-Beratung oder Vergünstigungen bei der Nutzung von Cloud-Services bieten die Förderprogramme auch Unterstützung bei der Erschliessung grosser Märkte im Ausland

Können Sie dafür ein Beispiel geben?

So hat der Vertreter von Alibaba am Eurocloud-Swiss-Event Unterstützung beim Zugang zum Ländermarkt China angeboten. Wenn man denkt, wie hoch vor der Cloud-Ära für Schweizer Start-ups der Aufwand für den Eintritt in den chinesischen Markt war, dann ist die jetzt angebotene Hilfestellung von Alibaba doch sehr nützlich.

Ist die Cloud für Jungunternehmer auch eine Chance zur Profilierung im Executive Management oder ein Karriere-Sprungbrett?

Die Begriffe "Executive Management" und "Karriere-Sprungbrett" verbinde ich in erster Linie mit einer Tätigkeit als Angestellter in einem Grosskonzern. Ich stelle mir eine ideale Laufbahnentwicklung vom Sachbearbeiter bis auf den Executive-Level über eine Laufzeit von 10 bis 15 Jahren vor. Ein Hochschulabsolvent, der in ein Start-up einsteigt, entscheidet sich aktiv für eine unternehmerische Tätigkeit, verbunden mit Risiken und gegen eine Karriere als Angestellter in einem Grosskonzern mit Aufstiegschancen. Ich glaube, dass hinter dem Entscheid "Start-up-Unternehmer" oder "Angestellter mit Laufbahnentwicklung" zwei verschiedene Persönlichkeitsprofile stehen.

Wo liegen die Hauptunterschiede bei den verschiedenen Persönlichkeitsprofilen?

Der "Start-up-Unternehmer" hat eine Geschäftsidee, an die er glaubt, und träumt vom eigenen Erfolgsunternehmen. Ihn reizt die Herausforderung. Er weiss, dass das Scheiter-Risiko gross ist. Er ist bereit, dies in Kauf zu nehmen. Der ambitionierte Karrierist glaubt an die eigenen Fähigkeiten, die ihm als Angestellter in einem Grossunternehmen tolle Entwicklungsmöglichkeiten eröffnen, ohne allzu grosse finanzielle Risiken eingehen zu müssen. Die Art der Vision und die Bereitschaft Risiken einzugehen unterscheiden die beiden Persönlichkeitsprofile. Eine hohe Leistungsbereitschaft und Durchhaltewillen brauchen beide, wenn sie zum Ziel kommen wollen.

Wie beurteilen Sie die Chancen von Start-up-Unternehmern bei einem Wechsel in ein Grossunternehmen?

Aus der Statistik wissen wir, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein Start-up ein voller Erfolg wird, relativ gering ist. Was machen Start-up-Unternehmer nach einem gescheiterten Versuch? Wir hatten am Herbstevent von Eurocloud Swiss einen Start-up-Unternehmer, der bereits an seinem zehnten Start-up arbeitet. Allerdings ist das jetzt das erste Mal, dass er von Anfang an mit einem Cloud-basierten Geschäftsmodell startet.

Und dadurch sind die Erfolgsaussichten besser?

Natürlich ist damit der Erfolg nicht vorprogrammiert, aber die Chancen auf Erfolg steigen mit der Nutzung der Cloud. In den zahlreichen CV's, die ich in den letzten Jahren zu sehen bekommen habe, gab es immer wieder Kandidaten, die einen oder sogar mehrere Versuche eines Start-ups mit dem Ziel eines eigenen Unternehmens auswiesen. Da es mit der unternehmerischen Selbständigkeit jedoch nicht geklappt hat, suchen sie dann ein Auskommen als Angestellter in einem Unternehmen. Ich habe das zwar nicht in Form einer Studie untersucht, aber aus den persönlichen Beobachtungen waren das nicht unbedingt Kandidaten, welche im Angestelltenverhältnis prädestiniert waren für eine erfolgreiche Führungskarriere.

Wie beurteilen Sie die Chancen von Start-up-Unternehmern, welche mit der Nutzung der Cloud auf Erfolgskurs kamen und ihr Unternehmen erfolgreich an die Börse bringen oder veräussern konnten? Verfügen sie über die nötigen Fähigkeiten, um ein traditionelles Unternehmen in eine digitale Geschäftswelt zu transformieren?

Sicher verfügt ein Start-up-Unternehmer, der das Geschäft international skalieren und nachhaltiges Wachstum erzeugen konnte, über wichtige Fähigkeiten, die ihm auch gute Chancen als Top-Executive eines Grossunternehmens einräumen. Und wenn Sie die letzten Besetzungen von etablierten Unternehmen betrachten, dann sind es längst nicht mehr die altgedienten internen Kandidaten, die das Rennen machten. Oft werden externe Kandidaten vorgezogen, welche über einen unternehmerischen Leistungsausweis verfügen. Dabei macht sich ein erfolgreiches Start-up direkt nach dem Universitätsabschluss sicher nicht schlecht.

Was haben die Unternehmen von Start-up-Erfahrung?

Die als Start-up-Unternehmer gesammelte Erfahrung, wie man ein neues Geschäft aufbaut, qualifiziert sicher auch für einen verantwortungsvollen Posten in einem Grossunternehmen. Grossunternehmen, die bezüglich Innovationen und neuen digitalen Geschäftsmodellen aus eigenen Kräften nicht vom Fleck kommen, würden jedenfalls gut daran tun, sich erfolgreiche Start-up-Unternehmer an Bord zu holen, um sich den unternehmerischen und innovativen Spirit, auf diese Art anzueignen.

ÜBER UNS

Die IG EuroCloud Swiss bezweckt die Förderung von Cloud Computing in Theorie und Anwendung und den Einsatz Technologien, Konzepten und Methoden und verwandte Themen in der Schweiz. Sie vertritt die Interessen der Cloud Computing Community in der Schweiz und fördert den Austausch mit anderen Personen und nationalen und internationalen Organisationen.

Sie pflegt eine enge Zusammenarbeit mit Anbietern, Herstellern, Anwendern, Beratern, Hochschulen/Universitäten, Fachhochschulen, anderen Verbänden und dem Bund im Bereich Cloud Computing. Sie führt Weiterbildungs- und Informationsveranstaltungen zum Thema Cloud Computing durch.

Seit dem 1. Januar 2015 als Interessensgruppe in den Swico integriert.